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Beurteilungssystem RAI-LTCF

 

Fachleute sind sich seit langem einig, daß eine regelmäßige Beurteilung (Assessment) des Zustandes und der verbleibenden Fähigkeiten von Pflegebedürftigen eine zentrale Bedeutung für die Versorgungsqualität hat, da sie die Voraussetzung für eine aktivierende Betreuung und Förderung auf der Grundlage individueller Pflegeplanung ist.

 

Die Pflegequalität wirkt sich unmittelbar auf das Wohlbefinden der Heimbewohner aus.

 

Ein solches Assessment-Verfahren ist das RAI-LTCF (Resident Assessment Instrument). Dieses in Amerika im Auftrag der Behörde für die Finanzierung der Gesundheitsversorgung entwickelte System wird weltweit in der Praxis eingesetzt. Es bietet gerade angesichts seiner Internationalität eine zuverlässige Hilfe bei der Verbesserung der Versorgungsqualität sowie bei der Bewertung der Versorgungskosten in stationären Altenhilfeeinrichtungen. In der Bundesrepublik Deutschland wurde dieses Verfahren vom Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) in der Version 1.0 einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Der Geschäftsführer des KDA, Herr Großjohan, hat sich hierzu wie folgt geäußert:

 

"Gerade für fortschrittliche Altenpflege-Einrichtungen, die die Individualität des älteren Menschen, die biografische Orientierung und die Wohnlichkeit in den Mittelpunkt eines ausformulierten und gelebten Pflegekonzepts stellen, scheint die Beschäftigung mit dem RAI eine lohnenswerte Aufgabe zu sein."
Was das RAI ist. beantwortet Frau Prof. Dr. Vjenka Garms-Homolov‡, Mitglied der Interrai-Gruppe und Übersetzerin der deutschen 1.0,Ê2.0 undÊLTCF-Version, in einem Aufsatz wie folgt:

 

"Das RAI (Resident Assessment Instrument) ist ein Verfahren zur Innovation und Qualitätssicherung in der bestehenden Praxis der Langzeit- versorgung. Der Einsatz von RAI in Einrichtungen für chronisch kranke alte Patienten und in Pflegeheimen ermöglicht den Mitarbeitern. sowohl verbleibende Fähigkeiten als auch Bedürfnisse in den wichtigsten Lebensbereichen von Bewohnern systematisch aufzudecken und in der Pflegeplanung angemessen zu berücksichtigen."

 

Das RAI-System besteht aus folgenden drei Teilen:

1. Teil: Minimum Data Set
Mit diesem Instrument wird die strukturierte Beurteilung des Bewohners und der Pflege durchgeführt und die Daten - insgesamt 250 Fragen (Items) werden dokumentiert. Berücksichtigt sind:

 

  • kognitive und kommunikative Fähigkeiten
  • Sehfähigkeit
  • körperliche Funktionsfähigkeit
  • Kontinenz und Selbstkontrolle
  • psychosoziales Wohlbefinden
  • Stimmungslage und Verhalten
  • Aktivität und Beschäftigung
  • Krankheitsdiagnosen
  • Gesundheitszustand
  • Ernährungsstatus
  • Mundstatus und Krankheitsprävention
  • Zustand der Haut
  • verabreichte Medikamente
  • spezielle Behandlungen.

An der Datenerhebung, die periodisch in vorgegebenen Zeitabständen erfolgt, sollen nach Möglichkeit die Vertreter aller in der Institution tätigen Berufsgruppen und selbstverständlich die Bewohner sowie ihre Angehörigen mitwirken. Qualifizierten Pflegemitarbeitern obliegen die koordinierende Aufgabe, die Führung der Datendokumentation und die Umsetzung der Assessment-Daten in die Pflegeplanung und in den interdisziplinären Betreuungsplan.

 

2. Teil: Trainingsmanual Ein wichtiger Bestandteil des RAI Systems ist das Manual, ein Arbeitsmittel und Lehrbuch. Hier finden sich die genauen Definitionen aller Items (Fragen) sowie Vorgaben, die den Pflegemitarbeitern helfen, an verschiedenen Punkten des Pflegeprozesses verläßlich Bewohnerdaten zu gewinnen und zu dokumentieren. Ebenso enthält das Manual einen präzisen Zeitplan, aus dem hervorgeht, wann und in weichem Umfang die Beurteilungen durchgeführt werden und auf welchen zeitlichen Referenzrahmen sich die Aussagen jeweils beziehen sollen. Das Manual kann aber einfach auch als ein Assessment-Lehrbuch genutzt werden. Wer es liest, lernt zu verstehen, wie die ganzheitliche Orientierung, die häufig wie eine hohle Phrase klingt, konkretisiert und im Pflegeprozeß auch tatsächlich realisiert werden kann.

 

3. Die Abklärungshilfen
Dieser Teil ist das eigentliche Qualitätssicherungsinstrument. Es ist eine Anleitung dazu, wie eine Verbindung zwischen dokumentierten Daten und Zielen eines Pflegeplanes herzustellen ist. Mittels der Abklärungshilfen werden die noch vorhandenen Potentiale des Bewohner systematisch aufgedeckt, um sie durch gezielte Maßnahmen der Aktivierung und Rehabilitation zu fördern. Die Abklärungshilfen haben auch die Funktion eines Alarmsystems. Denn sie führen rechtzeitig auf die Spur aufkommender oder potentiell kritischer Entwicklungen. Es wird systematisch darauf verwiesen, daß die sich anbahnende problematische Entwicklung in einem individuellen Pflegeplan angegangen werden sollte. Die Mitarbeiter können diesen Hinweisen nachgehen, um pflegerische Entscheidungen zu untermauern und weitere Untersuchungen vorzunehmen, damit die Probleme, aber auch die individuellen Stärken der Bewohner bei der Pflegeplanung nicht verfehlt werden. Die Abklärungshilfen sind für 18 Bereiche, die in der Langzeitpflege überdurchschnittlich häufig Probleme verursachen - z. B. Stimmungslage, kognitive (geistige) Beeinträchtigung und Stürze gewissermaßen vorgefertigt.

 

  • Vorteile für die Pflege
  • Einbeziehung von Bewohnern und Angehörigen sowie aller Berufsgruppen, die in der stationären Pflege am Pflegeplanungsprozeß beteiligt sind.
  • Aufdecken von Fähigkeiten, aber auch der sich anbahnenden Krisen von Bewohnern.
  • Vereinheitlichung der Bewohnerbeurteilung durch ein zusammenhängendes, zuverlässiges und gültiges Verfahren mit eindeutigen Definitionen
  • Basiselement für valide und verläßliche Qualitätssicherung
  • Initiierung von Lernprozessen innerhalb der Gruppe der Verfahrensanwender
  • Umstieg von einer zeitpunktbezogenen Betrachtung eines Zustandes zu einer zuverlässigeren Zeitraumbetrachtung.

Auch der von einigen Kritikern bemängelte Schreibaufwand hält sich angesichts der schon verfügbaren EDV-Version in Grenzen - zumal die nachweisbaren Effekte des RAI-Systems, beispielsweise der um 30 % geringere Einsatz von Psychopharmaka oder der Rückgang der freiheitsbeschränkenden Maßnahmen um 50 %, eindeutig für den Einsatz sprechen.

 

1) Quelle: KDA: Resident Assessment Instrument. Köln 1996. S. 1
2) Quelle: Garms-Homolov‡: Das RAI-System - ein Weg zur Verbesserung der Versorgung chronisch kranker und pflegebedürftiger Personen. In: Walter. V & W Paris (Hg.), -Public Health - Gesundheit im Mittelpunkt". Meran: Verlag Alfred und Söhne (im Erscheinen) 2) Quelle: Garms-Homolov‡: Das RAI-System - ein Weg zur Verbesserung der Versorgung chronisch kranker und pflegebedürftiger Personen. In: Walter. V & W Paris (Hg.), -Public Health - Gesundheit im Mittelpunkt". Meran: Verlag Alfred und Söhne (im Erscheinen)